Eindrückliche Bündnis-Tagung im Allgäu

Zusammen mit unseren Partnern vom Bündnis „Wir sind dran“ waren wir am 27. Juni auf der Landesgartenschau in Wangen vertreten.

Bei der Fachtagung begrüßten wir Unternehmer, Verantwortliche in Kommunen und Kirchengemeinden, sowie alle Interessierten, die sich mit der Frage beschäftigen, wie ein attraktives Arbeitsumfeld geschaffen und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Betrieb gehalten oder neu gewonnen werden können.

Auf dem Industriedenkmal ERBA entstanden im Zuge der Landesgartenschau hochmoderne Wohnungen für Singles, Paare und Familien sowie innovative Gewerbe- und Veranstaltungsräume. Im Seminarraum in der alten Baumwollspinnerei begrüßte der Vorsitzende der LEADER-Aktionsgruppe Württembergisches Allgäu Tobias Walch alle Teilnehmenden und erklärte, wie man in diesem besonderen Veranstaltungsraum nachspüren könne, was heute thematisiert wird: Der wirtschaftliche Strukturwandel wird durch die Transformation der Industriebrache erlebbar gemacht. Ausgerichtet an die Bedürfnisse des Industriestandortes entstand damals eine Stadt neben der Stadt, in der Arbeiten und Wohnen vereint wurde.

Wie auch die Location sollte die Tagung anregende Impulse bringen. Gemeinsam mit etwa 35 Teilnehmern erlebten wir spannende Vorträge.

New Work

Stefan Bubeck, Bürgermeister der Stadt Mengen, referierte über die 4-Tage-Woche im Rathaus, die er als einen Baustein von vielen sieht, um neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Das Angebot des arbeitsfreien Freitags bei unveränderter Regelarbeitszeit nutzen 54 Prozent der Mitarbeitenden, nicht jedoch Beamte, Auszubildende, Mitarbeitende in Kindergärten und dort, wo Schichtarbeit vonnöten ist (Waldarbeiter, Stadtwerke …).

Jürgen Kehrer, Co-Working-Beauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, gab einen spannenden Einblick in das Thema Coworking-Spaces. Das bedeutet, Mitarbeitende unterschiedlicher Firmen oder Abteilungen oder auch Selbstständige teilen sich einen Raum. Die Idee dahinter: „New Work“ mit den zentralen Werten Freiheit, Selbstständigkeit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Mittlerweile sind Coworking-Spaces auch für Menschen im ländlichen Raum unter dem Aspekt relevant, nah am Heimatort zu arbeiten, statt weit zur Firma zu fahren. Modelle, die daraus entstanden, sind „Coworking und KiTa“ sowie Maker-Spaces (gemeinsam genutzte Werkstätten statt Büros).

Ein praktisches Beispiel dazu gab Tarkan Altunbas von der Gründungsinitiative Bad Saulgau (GRIBS). Das ehrenamtlich engagierte achtköpfige Kernteam bietet der Stadt ein Gesamtpaket für die Einrichtung von Coworking- und Maker-Spaces an. Räume, in denen Freiberufler, kleine Start-ups, aber auch Mitarbeitende etablierter Unternehmen miteinander arbeiten und voneinander profitieren können. Für die Potenzialanalyse erhielt GRIBS eine Förderung der LEADER-Aktionsgruppe Mittleres Oberschwaben.

Wie New Work in einem konkreten Unternehmen aussehen kann, davon erzählte Michael Rudhart, Geschäftsführer der Firma Windata in Wangen i.A., einem Software-Unternehmen für Finanzmanagement. Mobiles Arbeiten war bereits vor Corona Standard, allerdings mit zwei festen Präsenztagen pro Woche, weshalb alle Mitarbeitenden ihren festen Arbeitsplatz in der Firma haben. Ab Ende 2024 gebe es im Neubau große Arbeitsräume, die man als Coworking-Space nutzen oder auch mit Trennwänden abtrennen könne. Das Motto der Firma, um Mitarbeitende zu halten, laute: Sinn stiften und Verantwortung übergeben. Mitarbeitende müssen sich gebraucht fühlen und etwas bewegen können, so Rudhart.

Programm zur Fachkräftegewinnung in KiTas

Diana Häfele von der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg und Anna Barbara Schrön von der Geschwister-Scholl-Schule in Leutkirch informierten über das Programm „Direkteinstieg KiTa“ des Landes Baden-Württemberg, einer seit Januar bestehenden Stellschraube zur Gewinnung von Fachkräften bei der Kinderbetreuung. Dabei handelt es sich um eine verkürzte Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz für Menschen, die mehr als vier Jahre nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet haben.

Chancen der Zuwanderung

Impulse zum Thema „Zukunft der Arbeit und Chancen der Zuwanderung“ gab Katja Thönig, Operative Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg. Aktuell steigt die Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg, es gibt mehr Ausbildungsstellen als Bewerber*innen, für offene Arbeitsstellen werden v.a. Fachkräfte gesucht. Lösungsansätze gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel sind: Zuwanderung, Aus- und Weiterbildung, Potenziale der Frauen nutzen (sog. „stille Reserven“), bessere Möglichkeiten für Benachteiligte schaffen, den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern. Eine Berechnung der Arbeitsmarktsituation bis 2035 ergab, dass die Engpässe am Arbeitsmarkt ohne Migration um 15 Prozent ansteigen würden, mit Migration (jährlich 400.000 Personen!) um nur 6 Prozent, was die Neuausrichtung des Fachkräfteeinwanderungsgesetztes sowie die verschiedenen Programme, um Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, erkläre.

Zuwanderung als Ressource für Betriebe

Alfons Leuthe, stellvertretender Obermeister der Bau-Innung Ravensburg und Inhaber des Bauunternehmens Leuthe Bau, berichtete über Migration und Zuwanderung als Ressource für Betriebe. Derzeit gebe es bei 65 Baubetrieben im Landkreis Ravensburg gerade eine Auszubildendenklasse mit 16 Schüler*innen, davon seien vier aus Vietnam, die extra für die Ausbildung nach Deutschland (zu Leuthe Bau) kamen. Seit rund acht Jahren bekomme Leuthe kaum noch Bewerbungen für seine Ausbildungsstellen. Ohne Schüler*innen werde auch die Berufsschule irgendwann geschlossen, dann gebe es erst recht keine Fachkräfte mehr, warnte der Bauunternehmer. Über Bildungsmessen der Bau-Innung beschäftigte er ab 2015 Auszubildende aus Syrien und Afghanistan, die heute als Gesellen neue Unterkünfte für Geflüchtete bauen. Mittlerweile habe er sogar jemanden auf Minijob-Basis angestellt, der sich um die Belange (sprachlich, behördlich etc.) der Mitarbeitenden aus dem Ausland kümmere.

Welcome Center als Beratungsstelle

Für Arbeitgeber wie Alfons Leuthe, aber auch für internationale Fachkräfte und Studierende selbst sind die verschiedenen Welcome Center im Land zentrale Anlaufstelle. Irina Wöhler vom Welcome Center der IHK Bodensee-Oberschwaben gab Einblick in ihre Arbeit. So können sich Arbeitgeber*innen beispielsweise über Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, Rekrutierungswege, die Anerkennung von Qualifikationen und über die Vernetzung der Fachkräfte informieren. Internationale Fachkräfte und Studierende erhalten Beratung zu Jobsuche und Bewerbung, Fort- und Weiterbildung, Visum, Einreise und Aufenthalt, Integration, Anerkennung von Qualifikationen, Sprache, Wohnen uvm.

Vielfalt gestalten

Dass mit internationalen Fachkräften unterschiedliche Sprachen, Religionen und Kulturen zusammenkommen, streifte bereits der Einblick von Herrn Leuthe. Wie Vielfalt in einem Weltkonzern gestaltet wird, beleuchtete Elisa Binzberger aus dem Diversity-Team der ZF Friedrichshafen. Sich mit Diversitätsthemen auseinanderzusetzen, sie als Chance zu begreifen und Unterstützung anzubieten, werde mittlerweile nicht nur von Mitarbeitenden gefordert. Interesse komme auch von Investoren und Kunden, darüber hinaus gebe es Gesetze. Die Herausforderung bestehe darin, zahlreiche unterschiedliche Perspektiven hinsichtlich Politik, Religion oder auch sexueller Orientierung zusammenzubringen. Das Diversity Team stellt sich diesen Herausforderungen mit drei Initiativen: Befähigung (von Führungskräften und Organisationen über den Umgang mit Diversität), Bewusstsein & Dialog (Schaffung von Netzwerken, Dialogangeboten, Events zur Feier verschiedener religiöser Queer-Feste) und Prozesse (Compliance und Verantwortung der Mitarbeitenden sicherstellen).

Job Crafting und/oder Qualifizierung

Neben New Work, speziellen Programmen für (internationale) Fachkräfte und Gestaltung der Vielfalt als mehrere Möglichkeiten, neue Fachkräfte zu finden, diskutierten Katja Thönig, Stefan Bubeck und Martina Schmidt, Leiterin der Kontaktstelle Frau und Beruf Ravensburg – Bodensee-Oberschwaben, über zwei weitere Schlagwörter: Job Crafting oder Qualifizierung. Ersteres bedeutet, Änderungen an der Arbeitsstelle vorzunehmen, sodass sich die Arbeit optimal an die Motivation und Stärken der Arbeitskraft anpasst. Qualifizierung hingegen passt die Arbeitskraft auf die Anforderungen der Stelle an. Die drei Diskussionsteilnehmer*innen stellten gleich zu Beginn fest, dass es nie ein Entweder-Oder sei, sondern immer eine Kombination. So sei es wichtig, Mitarbeitenden mehr Entscheidungsfreiheiten zu geben, auf Verbesserungsvorschläge seitens der Mitarbeitenden einzugehen, sie sogar dazu aufzufordern, und Führungspositionen auch in Teilzeit zu ermöglichen. Für Qualifizierung gibt es Angebote und finanzielle Unterstützung bei der Agentur für Arbeit sowie speziell für Frauen bei der Kontaktstelle Frau und Beruf. Im Rathaus Mengen werde Weiterbildung ebenfalls gefordert und gefördert, fange aber schon vor Zertifikaten bei der Leidenschaft und Bereitschaft für die Arbeit an.

Fazit

Zusammenfassend können wir nach der Veranstaltung sagen: es ist wichtig mit der Zeit zu gehen, Arbeitszeitflexibilität zu schaffen und Arbeitsplätze auszugestalten. Weiterhin sollten wir der Zuwanderung eine Chance geben, sowie Qualifizierung anbieten und Unterstützungsangebote nutzen, die es gibt. Wichtig ist, Vielfalt als Chance zu begreifen und über Spannungen zu reden. Und Tarkan Altunbas von der Gründungsinitiative Bad Saulgau verfasste das Tagesfazit der Veranstaltung: Einfach mal machen!